ERCM TV – Teil 2: Cyberknife zur Behandlung des Nierenzellkarzinoms
In dem Beitrag diskutieren wir die Möglichkeiten der Cyberknife Behandlung beim Nierenzellkarzinom gemeinsam mit unseren Experten des Klinikums Großhadern der Universität München.
Video-Transkript
Christoph Gogg
Seien Sie alle ganz herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe von Cyberknife-TV. Schön, dass Sie wieder mit dabei sind. Schwerpunkt unserer heutigen Sendung: Die Behandlung des sogenannten Nierenzellkarzinoms. Darüber spreche ich jetzt gleich mit den Experten hier vor Ort im Europäischen Cyberknife Zentrum München Großhadern.
Ich freue mich jetzt sehr, mit unseren Experten hier vom Europäischen Cyberknife Zentrum in München Großhadern sprechen zu können. Professor Alexander Moacevic und Dr. Christoph Fürweger. Meine Herren, ich freue mich sehr, dass wir heute wieder bei Ihnen sein können hier im Europäischen Cyberknife Zentrum.
Herr Professor, wie ging es denn überhaupt los hier mit dem Zentrum? Ist das eine wahre Erfolgsgeschichte, die wir hier erleben können seit vielen, vielen Jahren.
Prof. Dr. med. Alexander MuacevicJa, wir haben vor 15 Jahren gestartet, hier zusammen mit dem Klinikum Großhadern diese Technologie aufzubauen. Cyberknife ist ja eine neuere, sehr moderne Behandlungsmethode zur Tumortherapie im ganz Allgemeinen. Und mit dieser Methode können wir eben bestimmte Tumore im Körper, mit unseren Kollegen aus dem Klinikum zusammen, mittlerweile sehr erfolgreich behandeln. Über die Jahre haben sich unterschiedlichste Indikationen festgesetzt. Und da wird auch insbesondere das Nierenzellkarzinom, was ja Thema dieser Sendung heute sein soll, in den Vordergrund geschoben. Und ich freue mich, wenn wir das heute ein bisschen gemeinsam diskutieren können.
Christoph GoggHerr Dr. Fürweger, was fasziniert Sie an diesem Europäischen Cyberknife Zentrum hier in Großhadern?
Dr. techn. Christoph Fürweger Wir haben hier die einmalige Möglichkeit, eine besonders präzise Technologie einzusetzen. Das Cyberknife ist ein System, wo auf der einen Seite ein Präzisionsroboter einen feinen Strahl genau auf den Tumor lenkt. Auf der anderen Seite hat man Bildführung, die in der Lage ist, den Tumor exakt zu erkennen und während der Behandlung mitzuverfolgen.
Christoph GoggHerr Professor, jetzt hat es Herr Doktor Fürweger schon angesprochen, das Besondere an der Cyberknife-Technologie, die hochgenaue Präzision, die da auch stattfindet. Was ist das, was Sie besonders beeindruckt an dieser Vorgehensweise auf medizinischer Ebene?
Prof. Dr. med. Alexander MuacevicAlso das Besondere ist, dass in den allermeisten Fällen eine einmalige Behandlung ausreicht, um den Tumor auszuschalten. Und das Ganze mit einer Präzision von unter einem Millimeter. Bei den Hirn- und Wirbelsäulenbehandlungen ist es sogar eine Genauigkeit von 0,3 bis 0,4 Millimeter. Das kann man sich schon kaum noch vorstellen. Aber es ist tatsächlich so, dass der Roboter heutzutage automatisch diese Genauigkeiten erreicht und sich während der Behandlungen selbst steuert.
Es ist klar, dass man als Mensch diese Präzision gar nicht mehr selbst hinbekommen kann und das ist schon ganz faszinierend zu sehen. Ich vergleiche das immer ein bisschen wie eine Situation im Cockpit: Wenn wir zusammen mit unseren Kollegen der Physik den Behandlungsplan berechnet haben, dann gehen die Daten in den Robotercomputer und der steuert sich dann während der Behandlung selbst autark in diesen Genauigkeiten.
Prof. Dr. med. Michael StaehlerDie Behandlung ist in der Regel für Patienten weitgehend schmerzfrei. Das einzige, was gemacht werden muss, ist, dass dem System kenntlich gemacht wird, wo der Tumor sitzt. Dazu müssen Sie drei kleine Goldplättchen im Bereich des Tumors einbringen. Das ist ein kleiner Stich jeweils, das heißt statt einem großen Schnitt für eine Operation drei kleine Stiche. Das dauert ungefähr eine Minute und Sie haben die Prozedur hinter sich, denn die Behandlung an sich ist vollkommen schmerzfrei, und Sie merken das gar nicht. Sie können Musik hören, ganz gemütlich im Gerät liegen und werden keine weiteren Probleme haben.
Prof. Dr. med. Alexander MuacevicMeistens ist die Sorge viel größer, als sich im Nachhinein dann die eigene Erfahrung darstellt. Es sagt eigentlich jeder Patient danach: Das war deutlich weniger schlimm, als ich mir das vorgestellt habe. Die Patienten kommen ganz normal in Straßenkleidung. Es gibt ein kurzes einführendes Gespräch, dann kommt die MTA, holt den Patienten ab für die Behandlung. Er legt sich auf die Liege. Der Patient kann sich während der Behandlung Musik wünschen. Wir können jederzeit stoppen. Er kann auf Toilette gehen. Er hat alle Möglichkeiten. Also es ist nicht so, dass man festgebunden ist oder aus dem ganzen Szenario nicht rauskommt. Das ist sehr entspannt. Man muss aber auch sagen, dass heutzutage mit der neuesten Gerätegeneration die Behandlungszeit sowieso sehr kurz ist. Wir sind bei Zeiten von, im Schnitt, 25 bis 28 Minuten und das ist für alle Patienten in der Regel sehr gut tolerabel.
Christoph GoggHerr Dr. Fürweger, bekommt man da auch überraschende Feedbacks dann von den Patientinnen und Patienten, die dann sagen: Ach, so schlimm war es gar nicht. Und das ist ja ganz anders, als ich es jetzt eigentlich mir vorgestellt habe. Und viel angenehmer im Endeffekt.
Dr. techn. Christoph FürwegerDas kommt häufig vor. Die Leute kommen ja mit einer gewissen Erwartungshaltung und eine Aufregung ist in der Regel dann auch dabei. Die nehmen wir den Patienten, bevor sie dann wirklich die Behandlung starten. Und eigentlich läuft es dann sehr viel reibungsfreier durch, als sich das der Patient im Allgemeinen vorab vorstellt. Nach einer halben Stunde ist es vorbei und dann gehen die Leute einfach nach Hause.
Christoph GoggKommen wir nochmal zu den Behandlungsindikationen, Herr Professor. Wo wird denn das Cyberknife überall tätig?
Prof. Dr. med. Alexander MuacevicWir haben ja jetzt schon in verschiedenen Sendungen dargestellt: Der Klassiker sozusagen sind die gutartigen Schädelbasistumore wie zum Beispiel Akustikusneurinom oder Meningeome. Aber auch im Bereich der Wirbelsäule, Wirbelsäulentumore, kleine Lungentumore, Lebertumore oder, was wir heute ein bisschen genauer diskutieren wollen, Nierenzellkarzinome. Das sind ja besondere Tumore. Warum besonders? Weil die oft besonders schwierig zu behandeln sind.
Und da haben wir eben jetzt seit Jahren eine sehr schöne Kooperation mit den Kollegen der Urologischen Klinik in Großhadern gegenüber aufgebaut, um diese Tumore – als Alternative zu einem operativen Eingriff – in besonderen Situationen, die von den Chirurgen ausgewählt wurden, zu behandeln.
Christoph GoggWas ist denn das Besondere jetzt? Oder das Komplizierte und Schwierige an so einem Eingriff? Gerade wenn es um das Nierenzellkarzinom geht?
Dr. techn. Christoph Fürweger Also man muss sich das so vorstellen: Als Laie würde man vielleicht meinen, eine Nierenbehandlung ist, verglichen mit Behandlungen im Gehirn, etwas Einfacheres. Das ist aber mitnichten der Fall. Die Niere ist tatsächlich technisch schwierig zu handhaben, weil hier sehr viel Bewegung mit der Atmung stattfindet. Also wenn der Patient atmet, dann bewegt sich die Niere auf und ab, rotiert zum Teil auch etwas.
Da gibt es Auslenkungen im Bereich von zwei drei Zentimetern über den Atemzyklus und das ist etwas, was wir während der Behandlung ausgleichen können und auch müssen. Denn würde man jetzt diese ganze Bewegung von zwei drei Zentimetern mitbestrahlen, dann würde man sozusagen die ganze Niere mit Dosis belegen und würde entsprechenden Schaden anrichten. Genau das müssen wir aber nicht mit unserem Robotersystem. Wir können wirklich dem Tumor dynamisch mit der Atmung folgen und dadurch das Nierengewebe bestmöglich schonen.
Prof. Dr. med. Michael StaehlerDas Nierenzellkarzinom ist eine Erkrankung, die an der siebten Stelle der Häufigkeit der Tumorerkrankungen des Erwachsenen steht. Es sind etwa zwei Drittel Männer und ein Drittel Frauen betroffen. Es handelt sich um eine Erkrankung des funktionellen Gewebes der Niere, die sich tumorös umwandelt und damit zu einer Krebserkrankung wird. Die Erkrankung wird üblicherweise durch Entfernung des Tumors oder der tumortragenden Niere behandelt, meist chirurgisch.
Es gibt allerdings dann die Folge, dass dieses Gewebe, was in der Niere noch nicht bösartig verändert ist, fehlt und damit es zu einer Nierenfunktionseinschränkung kommt – im schlimmsten Fall zur Dialysepflichtigkeit. Dialysepflichtigkeit bei Patienten mit einer Tumorerkrankung ist für die Prognose abträglich. Das heißt, die Patienten haben eine drastisch verkürzte Überlebenszeit.
Christoph GoggDie universitäre Kooperation, Herr Professor, ist ja ganz wichtig, gerade jetzt auch mit der Urologie in Großhadern. Da haben wir den Herrn Professor vorhin auch schon sprechen können zu diesen Themenschwerpunkten. Wie sieht das für Sie aus? Was ist das besonders Erfolgreiche und Tolle auch an dieser Kooperation miteinander?
Prof. Dr. med. Alexander MuacevicEs ist wirklich eine ganz ausgesprochen gute und erfolgreiche Kooperation. Das liegt im Wesentlichen aber an den Urologen selbst. Das ist ein sehr großes Zentrum in München, und das ist eine Grundvoraussetzung dafür, wo viele Patienten mit Nierenzellkarzinom sich vorstellen. Und das ist eben schön, bei so einem großen Patientenpool für jede Situation die richtige Therapie auswählen zu können. In kleineren Krankenhäusern ist das so in der Regel nicht möglich. Da wird meistens von vornherein gesagt: Ja, das ist was zum Operieren. Niere raus – bisschen platt gesagt–, was natürlich für den Patienten sehr starke Einschränkung der Lebensqualität sein kann.
Prof. Dr. med. Michael StaehlerWir haben hier einen Kooperationspartner, der innovativ neuen Ansätzen gegenüber offensteht. Das ist im Rahmen einer Universitätsmedizin etwas, was unbedingt wünschenswert ist. Wir können gemeinsam die Fälle sammeln, in Daten überführen und diese publizieren und auch mit anderen Kollegen in der Fachwelt diskutieren und somit neue Verfahren etablieren. Und diese Verfahren eben auch dann anderen Patienten an anderen Zentren zur Verfügung stellen.
Christoph GoggWas ist für Sie das Beeindruckende an der Kooperation mit der Universität, Herr Doktor? Sie sind ja direkte Nachbarn, kann man ja sagen, wenn man sich das hier anschaut.
Dr. techn. Christoph Fürweger Also aus meiner Sicht ist es sehr erfreulich, wie unkompliziert das auch fallbasiert abläuft. Man kann also auf den Urologen, der uns da begleitet, für jeden Fall zugreifen, der dann auch mit Rat und Tat zur Seite steht, weil man auch bedenken muss, dass diese Tumore in der Niere teilweise sehr schwer abzugrenzen sind und man also wirklich auch urologischen Input braucht, um das wirklich bestmöglich durchzuführen.
Christoph Gogg Herr Professor, Sie haben gerade es angesprochen: Das ist ein sehr komplexer Vorgang, auch das Nierenzellkarzinom zu behandeln. Generell der Einsatz in kritischen Regionen des Cyberknifes: Wie sieht der aus? Was ist da insgesamt zu beachten und was sind da die Schwerpunkte?
Prof. Dr. med. Alexander MuacevicEs ist immer wichtig, dass die Tumore sehr gut abgrenzbar sind. Wir können keine Tumore behandeln, die sehr flächig in das Gewebe reinwachsen. Immer gut abgrenzbare Tumore, relativ kleine Tumore, die sich in der Regel normalerweise für einen operativen Eingriff anbieten würden. Es gibt aber viele Situationen, wo eine Operation nicht durchgeführt werden kann, weil der Patient zu alt ist, weil Komorbiditäten bestehen, weil man starke Medikamente nehmen muss, weil man zum Beispiel eine Chemotherapie nicht unterbrechen sollte, was bei einer Operation dann der Fall wäre, zusätzlich eine lokale Therapieoption hat und die weiteren parallellaufenden Therapien nicht unterbrechen muss. Das ist auch heutzutage ein sehr großer Vorteil von solchen Methoden.
Christoph GoggGanz wichtige Frage für alle Patientinnen und Patienten natürlich auch: Erstattet die Behandlung meine Krankenkasse? Wie ist da so der aktuelle Stand momentan?
Prof. Dr. med. Alexander MuacevicAlso hier in München haben wir da sehr gute Voraussetzungen. Wir haben ja eine Kooperation zusammen mit dem Klinikum, primär mit der AOK Bayern als größte Krankenkasse in Bayern. Und diesem Vertrag, der fix ist, wo sozusagen die Abrechnung automatisch erfolgt, ohne dass der Patient irgendetwas dazutun muss, dem haben sich andere Krankenkassen angeschlossen. Also nicht nur die AOK, sondern auch die Barmer Ersatzkasse, zum Beispiel, sämtliche Betriebskrankenkassen, die SBK.
Also da gibt es eine ganze Vielzahl von Krankenkassen, die dabei sind. Wir haben etwa eine Abdeckung von 80 Prozent. Sind leider nicht alle Krankenkassen dabei mit diesen Vertragskonstrukten. Gelegentlich muss da zusätzlich ein Einzelfallantrag gestellt werden. Aber insgesamt sind wir im Prinzip zufrieden.
Christoph GoggJetzt haben wir zu Beginn schon über das Europäische Cyberknife Zentrum genauer gesprochen. Was sind denn insgesamt die Vorteile für alle Patientinnen und Patienten, wenn sie sich jetzt hier zu Ihnen begeben in die Behandlung?
Prof. Dr. med. Alexander MuacevicAlso ganz wesentlich ist die unmittelbare Nähe zum Großklinikum. Das ist wirklich einmal über dem Parkplatz, das sind etwa 250 Meter, die uns trennen. Damit haben wir einfach die direkte Kooperation. Wir sitzen in sämtlichen Tumorboards, wir können täglich sozusagen uns austauschen, was ganz wichtig ist, wenn man mit so einer Hightech-Methode arbeitet. Das Ganze wird auch zusätzlich wissenschaftlich begleitet mit entsprechenden Publikationen, wo wir sehr aktiv sind. Und wir konnten auf diese Art und Weise die letzten Jahre – insgesamt jetzt seit 2005 – über 7000 Patienten schon behandeln.
Eva Haselbauer (Patientin) Sie sind alle sehr, sehr freundlich und sehr sorgfältig auch. Das finde ich ganz wichtig. Also es wird genau überlegt, was man machen kann und was möglich ist. Und ich habe mich sehr aufgehoben gefühlt.
Prof. Dr. med. Alexander MuacevicAlso man kann natürlich eine Operation im Einzelfall damit umgehen. Also kein Blut, keine Schnitte, kein Krankenhausaufenthalt, keine Rehabilitation, keine aufwändigen Wundkontrollen etcetera. Das sind natürlich im Detail dann schon große Vorteile. Aber es ist ganz wichtig zu erwähnen, dass es natürlich nicht immer geht. Man darf die Hoffnungen nicht zu hoch ansetzen.
Eva Haselbauer (Patientin)Ich hatte natürlich Angst. Ich war aufgeregt. Obwohl ich gehört habe, dass das schmerzlos vonstatten geht. Und das war dem auch so, also man merkt nichts.
Dr. techn. Christoph Fürweger Ich glaube, das wirklich Herausragende ist, es ist eine Hochtechnologie. Aber eigentlich merkt der Patient währenddessen kaum was davon. Die Behandlung läuft vollautomatisch durch ist nach einer halben Stunde zu Ende. Der ganze technische Aufwand, der da getrieben wird, ist etwas, was der Patient als solcher gar nicht bemerkt. Aber der dann natürlich dafür sorgt, dass die Behandlung in dieser Qualität durchgeführt werden kann.
Christoph GoggMeine Herren, dann bedanke ich mich sehr herzlich für dieses wieder sehr spannende medizinische Gespräch zum Thema Cyberknife-Technologie. Dankeschön, dass wir hier sein durften. Ihnen zu Hause: Vielen Dank fürs Zuschauen. Das war Cyberknife-TV für heute. Nicht vergessen: Alle unsere Sendungen können Sie natürlich noch einmal in unserer Mediathek unter www.münchen.tv anschauen. Bleiben Sie gesund. Wir sehen uns beim nächsten Mal wieder. Bis dahin. Servus!